Wenn die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen…

Movie-Kritik: A Walk Among The Tombstone
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Impuls Pictures AG

Nur widerwillig nimmt der unlizenzierte Privatdetektiv Matt Scudder (Liam Neeson, «Schindler’s List», «Taken») den Auftrag an. Eigentlich gefällt ihm der Gedanke gar nicht, dem Drogenhändler Kenny Kristo (Dan Stevens, «Downton Abbey») zu helfen. Dessen Frau wurde brutal ermordet und er verlangt von Scudder die Mörder zu finden. Hin- und hergerissen zwischen Abscheu vor und Mitleid mit dem skrupellosen Dealer, der gleichzeitig auch ein liebender Ehemann und trauernder Witwer ist, lässt er sich dennoch dazu bereitschlagen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Killer zugeschlagen haben und sie sind anscheinend entschlossen, diese Serie weiterzuführen. Schon bald darauf gerät die Tochter eines anderen Dealers in die Fänge des mörderischen Duos, das dem Ermittler immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, während dem sich Scudder auch immer wieder seinen eigenen Dämonen stellen muss. Denn der Ex-NYPD Cop und trockener Alkoholiker hat auch sein Päckchen zu tragen. Und dann ist da noch der obdachlose, aber künstlerisch talentierte Teenager TJ (Brian «Astro» Bradley), der nach anfänglichem Zögern Vertrauen zu Scudder fasst. TJ zeigt grosse Begeisterung für die Arbeit des Detektivs, heftet sich an seine Fersen und beginnt sogar auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen – nicht gerade zur Freude des Einzelgängers Scudder, der sich nun auch um die Sicherheit des Jungen kümmern muss.

 

Privatdetektiv Scudder steht noch im Sonnelicht, wird aber von den Schatten der Vergangenheit verfolgt. 

 

«A Walk Among The Tombstones» ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Lawrence Block aus seiner erfolgreichen Mystery-Thriller-Reihe mit dem Detektiv Matt Scudder. Regisseur Scott Frank («The Lookout») erweckt die Story um den ehemaligen Polizisten, der durch ein Trauma aus der Bahn geworfen wird, zum Leben. Die Ereignisse sind im New York der 90er-Jahre angesiedelt. Entsprechend düster sind deshalb auch die Ausstattung und das Setting ausgefallen, die auf unaufdringliche Weise den Grundton des Films unterstreichen. Denn trotz der Gefahr, die von Anfang an spürbar ist, entwickelt sich die Story in einem gemächlichen Tempo. Die Erzählweise bleibt unaufgeregt und es werden leise Töne angeschlagen. Man erlebt Scudder als einen Mann, der seine Souveränität trotz der widrigen Umstände nie verliert. Seine Stimme bleibt leise, er fährt nicht aus der Haut und schafft es dennoch, den Killern die Stirn zu bieten. Umso mehr wird das Tempo angezogen und die Spannung gesteigert, als der Film sich dem Ende neigt und es zum obligaten Showdown zwischen Scudder und den Mördern kommt. Dabei werden alle Register gezogen, die dieses Genre zu bieten hat: vom Regen über tiefste Nacht bis hin zum Friedhof als Treffpunkt.

 

Scudder und sein Schützling TJ.

 

Die Stärke des Films ist der Verzicht auf eine klare Trennung zwischen Gut und Böse. Skrupellose Drogendealer werden zu trauernden, liebenden Ehemännern oder besorgten Vätern. Die Story dringt in das Privatleben dieser Männer ein und der Blick hinter die Fassade zeigt Menschlichkeit. Diese Art der Charakterzeichnung wird auch auf Scudder angewendet. Er fühlt sich zwar für den Tod eines Mädchens während seinem letzten Diensteinsatz verantwortlich, gibt aber auch bereitwillig zu, als Cop Bestechungsgelder angenommen zu haben, um seine Familie ernähren zu können. Schliesslich werden auch die beiden Mörder Ray (David Harbour, «Quantum of Solace») und Albert (Adam David Thompson) auf ungewohnte Weise gezeigt. Der Film erlaubt den Einblick in ihre Wohnung und ihren Tagesablauf, der nicht anders als bei gewöhnlichen Menschen ist. Dieser Schritt in das private Reich der «Gesetzlosen“ macht den Reiz von «A Walk Among The Tombstones» aus, weil er es den Zuschauern erlaubt, das Böse aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Dass Gangster, Drogendealer und Konsorten auch liebende Familienväter sein können, ist zwar nicht neu, aber es verhindert, dass die Figuren als zu einseitig und flach wahrgenommen werden.

 

Scott Frank gelingt mit «A Walk Among The Tombstones» ein atmosphärisch dichter Thriller, der gegen Ende immer mehr an Spannung gewinnt und mit der überzeugenden Leistung von Liam Neeson als heruntergekommener Privatdetektiv punktet.

 

  • A Walk Among The Tombstones (USA 2014)
  • Regie: Scott Frank
  • Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, David Harbour, Adam David Thompson
  • Laufzeit: 114 Minuten
  • Kinostart: 13. November 2014
Sule Durmazkeser / Mi, 12. Nov 2014